Dienstag, 12. November 2013

Hauptstadt oder Frontstadt Berlin? Der wilde Osten | Der wilde Westen | 1. Teil

Es scheint Bedarf nach alten Kamellen aus Berlin zu geben. 

@: "Und ja, bitte mehr Bilder aus der guten alten ... ach lassen wir das. :)="

Also Geschichten und Bilder aus der geteilten Stadt für die Geburts-Jahrgänge 1950 bis 1965 etwa.

Als Westberliner, der fast sein erstes Lebens-Jahrzehnt direkt am Checkpoint Charlie (noch ohne Mauer) gelebt hat, um sich dann im Kreuzberger Gräfe- und Urbankiez die Halbstarken-Hörner abzustoßen, hat sich da so einiges angesammelt. 

Zwischendurch mal kurz Neukölln und Alt-Moabit 12a aber das soll hier nicht groß zählen.

Für knapp drei Jahre war das Georg von Rauch-Haus am Mariannenplatz 1a mein Wohnsitz.




Die Aufnahmen stammen etwa aus der Zeit 1972 bis 1974.

Irgendwie hatte der Mariannenplatz schon von klein auf eine gewisse Anziehungskraft auf mich. 

Meine Mutter und mein Vater sind mit mir im Kinderwagen am Tag der Aufstände in Ost-Berlin am  17. Juni 1953 (wenige Tage vor meinem ersten Geburtstag) dort ´mal gucken´ gegangen. 

Das Bethanien-Krankenhaus (West-Berlin) war Not-Aufnahme für die verletzen oder toten Kämpfer des Aufstandes auf der Ostseite, der damals noch nicht vermauerten Grenze. Auch flüchteten nach dorthin viele der Teilnehmer der Straßenschlachten.

Als dann Schüsse von drüben zu hören waren, sind meine Eltern weg gerannt.

Das damalige Schwestern-Wohnheim Martha-Maria-Haus wurde durch die Besetzung am 8. Dezember 1971 zum Georg von Rauch-Haus, wo ich 1974 einzog.



Wenn ich aus meinem Zimmerfenster schaute, hatte ich die Mauer am Grenzstreifen zwischen Engeldamm (Ost) und Bethaniendamm (West) direkt vor Augen. Die oberen weißen Punkte im Fenster-Hintergrund sind die Lichtmasten der Grenztruppen.


Die Mauer sah zu der Zeit noch echt voll peinlich aus, obwohl sich ein Teil der Rauch-Häusler wahrlich dran abgearbeitet hatte....


Mal haben wir Blumen und Sträucher gepflanzt, mal unseren Müll rüber geworfen (der immer in kürzester Zeit von den Grepos entsorgt worden war) oder wir haben alles weiß gestrichen, um dann so manche phantasievolle Molli-Kreation  dran zu testen. 

Für den sperrigen Müll hatten wir zwei vier Meter lange Holzbohlen so zusammen gebastelt, daß sie knapp vom Fensterbrett des östlichen Baderaums bis auf die Mauerkrone passten. Dadurch konnte man mit ´ner Stange kaputte Kühlschränke, Fernseher oder alte Couchen und ähnliches rüber schieben.

Um die Grenzschützer des Arbeiter und Bauernstaates bei Laune zu halten, flogen auch des öfteren mal die eine oder andere Schachtel West-Kippen in den Grenzstreifen bzw. unsere Rauch-Häuslerinnen veranstalteten am weit geöffneten Fenster mal wieder eine ihrer - von den Grenzorganen wohlwollend zur Kenntnis genommenen -  legendären Titten-Paraden. Das zog immer für ´ne Weile ... :-))) ...

Wenn unsere versehentlich nach ´drüben´ geballerten Fußbälle nicht am nächsten Morgen wieder auf unserer Westseite lagen, war klar, - Kippen und Titten waren angesagt ... :-)))

Wir nannten das "unseren kleinen Grenzverkehr".

Es gibt einige aussagekräftige Dokumentationen zur Geschichte des G.v.R-Haus im Netz, zu denen ich nicht verlinken werde, weil ich keine Böcke habe, mich hier mit einigen(!) meiner frühen Lebenslügen konfrontiert zu sehen. Manches hat zwar voll Spaß gemacht, ist aus der zeitliche Distanz heraus betrachtet allerdings heute echt ein wenig peinlich. 

Und die Auftritte der mega-turbo-peinlichen  Enver-Hoxha-Fraktion (der ich nicht(!) angehört hatte) sind da noch nicht mal bei.

Zu jener Zeit fing ich an, zu  photographieren. Keine Ahnung mehr, mit was für ein Gerät diese arg mitgenommenen Aufnahmen von mir abgelichtet worden sind.

Jedenfalls sah es in Kreuzberg rund um den Kotti in weiten Teilen etwa so! aus, wie im folgenden Bild in der Waldemarstraße. 


Und dieser Platz hatte schon hundert Jahre zuvor eine/seine Hausbesetzer-Geschichte wie in der kurzen Abhandlung  Freistadt Barackia gut beschrieben.

Das Kottbusser Tor und seine Geschichte




Die auslaufenden Sechziger und beginnenden Siebziger waren die Zeiten, wo die großflächige Sanierung mit der Abriss- und Neubauwelle im alten SO 36 begann, mit all den damit verbundenen späteren sozialen Verwerfungen aber auch mit der geilsten Zeit in Kreuzberg überhaupt...

In West-Berlin kam es insbesondere in Kreuzberg zu einer Wohnungsknappheit. Eine Ursache dafür war wohl die Flächensanierungspolitik des Senates seit 1964/1965, die den flächendeckenden Abriss von Altbauquartieren und den gleichzeitigen Neubau von modernen Großsiedlungen vorsah (wie beispielsweise Gropiusstadt oder das Märkische Viertel). (Quelle: Wiki)

Diese Zeit der frühen Siebziger ist für mich auch die wahre(!) Geburtsstunde des  Häuserkampfs in Kreuzberg (und wegen meiner auch Rest-West-Berlins).

Wer errät, was auf dem folgenden Bild zu sehen ist, ist ein echter Kreuzberger.



In der Nähe dieser Örtlichkeit gab es eine Kneipe namens Rote Ritze und eine weitere, die sich Zum Nassen Dreieck nannte. Letztere hatte ich als Kind ab und an mit meinem Vater besucht.

An dieser Stelle ein Hinweis zu dem feinen Fotoarchiv von Alex Waidmann Berlin (mit einem pdf-Link zum Nassen Dreieck).

Wir hatten in meinen wilden Kreuzberger Jahren unsere Zapfhähne im ´Schultheiss zur Tankstelle´ oder ´Zum alten Stamm´ (wo heute das Köylüm drin ist) ...
 
Die Kneipe Zum Alten Stamm am 1. Mai 2011


... und im Jodel-Keller, den es heute noch gibt. Alle Kneipen lagen/liegen auf der Adalbertstaße.

Der Jodel-Keller im Jahre 1977 in der Adalbertstraße in Blickrichtung zur Mauer Bethaniendamm
Der Jodel-Keller in der Kreuzberger Adalbertstraße 1977

 So sah es dort am 1. Mai 2011 aus

Der Jodel-Keller 2011

Kurz vor meinem 25igsten hab ich dann rüber nach Aachen gemacht.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Ab 1977 hab ging´s dann richtig los mit meiner Knipserei. 

Graffiti, Häuserkampf, Bilder aus der (noch nicht sanierten) Naunyn-Ritze, Kotti und andere Straßen und Plätzen in X-Berg...

Zum anfüttern dies.

Was für ein schöner Fuhrpark entlang der Urbanstraße 1977



Hier macht es auch Spaß, zu blättern Berlin vor ein paar Jahren 
mit einer Vielzahl von Bildern aus der guten alten ... ach lassen wir das....!

Wird sporadisch fortgesetzt ...

13 Kommentare:

  1. Vielen lieben Dank fuer die Erinnerungen an die gute alte...
    Musste mir ein paar Erinnerungstraenchen wegdruecken, sind viel Emotionen mit bei.

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    1. Vielen Dank und gern geschehen ...! Und wie gesagt, - ich führe dieses Thema sporadisch fort.

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  2. > Wer errät, was auf dem folgenden Bild zu sehen ist

    Das ist die U1 in der Gitschiner Straße, links am Bildrand die U-Bahn-Station Prinzenstraße. Das Bild ist vom Böcklerpark aus in Richtung Nordnordwest aufgenommen. So gegen Ende der 70er Jahre wurde dann das hier dort hingestellt:

    http://goo.gl/maps/32EOi

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    1. Stimmt! Korrekt ...! Irgendwie gefiel mir das früher ein klein wenig besser ... ;-). Ist heute ziemlich steril dort geworden.

      Steht eigentlich die alte Lokomotive noch im Böcklerpark?

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    2. Die ist wohl weg -- ich muss gestehen, nicht mehr in Kreuzberg zu wohnen (hat ja auch nichts mehr mit dem zu tun, was da vor Ende der 80er war).

      Mit dem microsoft'schen Spähsatellitenflugzeug (Bing Maps, "Vogelperspektive") habe ich sie und den Spielplatz, auf dem ich sie in Erinnerung habe, nicht mehr entdecken können.

      Ein Schulfreund von mir wohnte eine Zeit lang in dem Gebäude, das man auf Deinem Bild so ziemlich in der Mitte sehen kann. O ja, lang' ist's her.

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    3. Stimmt! Sie steht jetzt im Museum der Draisinenbahn in Mittenwalde > http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CC8QFjAA&url=http%3A%2F%2Farchiv.kiezundkneipe.de%2F2012%2F2012-11.pdf&ei=JtqPUqWaCKqR5ATMhIHICg&usg=AFQjCNEXu0ntQCAaen8tVd4z6UbGbr3dOg&sig2=qn43hKX4dT6k6OT778OMFw&bvm=bv.56988011,bs.1,d.bGE&cad=rja < (pdf)

      Ist sicher besser so. Von Beginn an musste das arme Teil leiden. Wurde als Toilette missbraucht, mit Müll befüllt, als Lagerfeuerschale benutzt oder mit schlechter Graffiti verschandelt....

      Staune, daß das Teil nicht von den üblichen Probanden der Metall-Diebe weg geschleppt worden ist. Sind schon ganze Eisenbahn-Brücken aus Stahl in Polen abgeschraubt worden. Echt jetzt ...

      2011 verschwand aus dem Park die Bronzebüste des namesgebenden Hans Böckler. Metalldiebe hatten sie geklaut.

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    4. Die alte Lokomotive wurde in den 80ern gegen eine kleinere ausgetauscht, die vor ein paar Jahren auch noch dort stand. Diese sit jetzt aber glaube ich auch weggenommen worden.

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    5. Danke für die Rückmeldung.

      Ich hab mal was gehört, daß diese Loks nicht mehr den Kinderspielplatz-Sicherheitsbestimmungen der jetzigen Zeit entsprächen... Da hat früher kein Hahn laut nach gekräht. Aber da haben wir ja auch noch Krebse im Landwehrkanal gefangen und gegessen ...
      Gibt es die eigentlich inzwischen wieder?

      Deine Seite finde ich gut!

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  3. Toller Beitrag! Du hast im Rauchhaus gewohnt?
    Unvorstellbar, wie das damals hier noch aussah. Ich hab Heimweh nach der Zeit, als noch nicht der Geldadel in Kreuzberg angekommen war.

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    1. Danke! Ja, - im Rauch-Haus! Bis Januar 1976. Also schlappe anderthalb Jahre.

      Im Dezember 2011 war ich zusammen mit vielen alten Kameraden zum 40´igsten nochmal dabei.

      Oh Gott, oh Gott,- was ist aus uns nur geworden :-))))

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  4. Bald darauf hat es im Rauchhaus gebrannt. Bis heute wird da noch, in Eigenregie, saniert.
    Ich hoffe so sehr, dass es so, wie es ist, noch lange erhalten bleibt. Ebenso, wie die Wagenburg. Der Rest von Kreuzberg ist eh schon verloren.

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